Arten der Schmerzbehandlung

Manuelle Medizin

Manuelle Medizin in der Praxis / Neuroorthopädischer Untersuchungsgang bei Lumbalsyndromen

Die Manuelle Medizin hat ihre Wurzeln in der Lehre der Osteopathie aus den USA.

Grundlagen sind bei beiden die schulmedizinische Ausbildung, wobei in Europa nach erfolgter ärztlicher Ausbildung die Manuelle Medizin erlernt wird. In den USA erfolgt die manuelle Ausbildung (Osteopathie) im Rahmen des Medizinstudiums, so dass die Absolventen altersmäßig viel früher mit dem Doktorat der Osteopathie (D.O.) das Studium beenden.

Ärzte nach unserer Ausbildungsordnung sind etwa mit 34 Jahren Manualmediziner nach langer Ausübung des Arztberufes in der Praxis, während amerikanische Ostheopathen etwa als 24-jährige sich entscheiden, ob sie als "schulmedizinisch" tätige Ärzte oder als Spezialisten der Osteopathie sich niederlassen.

Die Domäne der Manuellen Medizin ist eine Tätigkeit, die vor allem die Hände als diagnostisches und therapeutisches Agens einsetzt. Die Manuelle Diagnostik hat zum Ziel, in ganzheitsmedizinischer Sicht den Patienten mit den Händen so zu untersuchen, dass eine sichere nosologische Einordnung des Krankheitsbildes erfolgen kann. Vergleichbar ist diese Technik mit den traditionellen körperlichen Untersuchungen der "Wiener Medizinischen Schule", die in der Palpation, der Auskultation und Perkussion ohne wesentliche technische Hilfsmittel eine Diagnosefindung erlaubte.

Wird die Manuelle Diagnostik im Rahmen der konservativen Orthopädie ausgeübt, sind üblicherweise die Strukturen des Bewegungsapparates, wie Gelenke, Muskulatur, Bandstrukturen, Nervensystem und Haut, Hauptziel der Untersuchungstechniken.

Typische Erkrankungen, die besonders diesen Untersuchungstechniken zugänglich sind, kennt man unter den topischen Diagnosen wie Zervikalsyndrom, zervikogener Schwindel, Lumbalsyndrom mit und ohne Ausstrahlungsschmerzen wie bei Bandscheibenvorfällen, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule etc.

Auch die peripheren Gelenke eignen sich für eine genaue Untersuchung mit den Händen.

Erforderlich sind dabei genaue Kenntnisse der Anatomie, um die gestörten oder schmerzhaften Strukturen zu erfassen. Das bedeutet, dass die exakte Strukturanalyse für das Erkennen und die weitere Behandlung des Krankheitsbildes von großer Bedeutung ist.

Die Manuelle Therapie auch Chirotherapie genannt, enthält eine Fülle Techniken, die gezielt an den gestörten Strukturen vornehmlich des Bewegungsapparates angreifen.

Behandelbare Gewebe sind u.a.

  • der hypertone, verkürzte, schmerzhaft verkürzte, schmerzhaft verspannte Muskel,
  • das bewegungseingeschränkte (blockierte), hypermobile Gelenk,
  • schmerzhafte ligamentäre Strukturen,
  • schmerzhafte Anteile der Gelenkskapsel,
  • hyperalgetische, verquollene im Sinne der sympathischen Nozireaktion.

Mit den Händen ausgeübte Techniken der Manuellen Medizin sind nach unserer Nomenklatur

  • Weichteiltechniken
  • Mobilisationstechniken und
  • Manipulationstechniken

Weichteiltechniken

sind alle unter verschiedensten Begriffen laufenden Verfahren, die ihr Behandlungsziel im verschieblichen, weichen Gewebe des Menschen suchen. Dazu zählen

  • Muskeltechniken wie Muskelenergietechniken (muscle energy), Faszientechniken (Myofascial release), Inhibitionstechniken (strain-counterstrain)
  • Hauttechniken wie Bindegewebsmassage.

Gelenkstechniken

wie Postisometrische Techniken, Mobilisationstechniken (low velocity techniques), Manipulationstechniken (high acceleration–low amplitude techniques).

Die Manuellen Untersuchungstechniken

Die "Wiener Schule" für Manuelle Medizin entwickelte in den 80-ger Jahren einen standardisierten, computerfähigen Untersuchungsgang des Bewegungsapparates, der in seiner Aussagekraft zur Erzielung einer klinischen Diagnose einzigartig ist.

Der Grundsatz dieser klinischen Untersuchung lautet: Feststellen der Normalfunktionen um eine für das Krankheitsbild typische Fehlfunktion zu erfassen.

Diese Untersuchung berücksichtigt neben den orthopädischen Funktionen des Bewegungsapparates auch grundlegende neurologische Funktionen, so dass daraus ein Neuroorthopädischer Untersuchungsgang entstand.

Untersuchung im Stehen

Besondere Bedeutung wird der Analyse des Gangbildes beigemessen, da dies als Ausdruck der höchsten Funktionen des Zentralnervensystems zu bewerten ist. Pathologien zeigen sich z.B. in

  • mangelnder Hintergrundmotorik (M.Parkinson, Hemisyndrome)
  • Schonhinken (Aktivierte Arthrosen peripherer Gelenke),
  • Verkürzungshinken (Hüfterkrankung, Beinlängendifferenz),
  • Lähmungshinken (Bandscheibenvorfall),
  • Fehlhaltung ("Haltungsprovisorium") und
  • Haltungsverfall (osteoporotischer Wirbeleinbruch) beim Gehen,
  • Verwendung von Gehilfen etc.

Die Alltagsbeweglichkeit (activity of daily live ADL,ATL) wird unter anderem auch beim Entkleiden des Patienten berücksichtigt und daraus Schlüsse für die weiterführende Diagnostik gezogen z.B. Beinkleider – Hüfterkrankung, Oberbekleidung – Schulterbeschwerden etc.

Die Inspektion des Patienten von dorsal ermöglicht eine grobe Orientierung über die Statik (Fehlstatik) und den Konstitutionstyp. Asthenischer Habitus ist häufig mit Osteochondrosen, besonders des Segmentes L4/5 vergesellschaftet, der Pykniker neigt zur Spondylarthrose der Wirbelgelenke und der "Neutraltyp" besitzt häufig Funktionsstörungen in der Art von Blockierungen.

Die weiteren Untersuchungen im Stehen betreffen vor allem die Lendenwirbelsäule und deren Funktionen für das Vorbeugen, Rückbeugen und die Seitneigung. (Abb. 1-4, Tilscher 1990)

Eine vermehrte Beweglichkeit deutet auf ein Hypermobilitätsyndrom hin, das bereits anamnestisch durch Schmerzäußerungen bei langem Stehen, Gehen, Sitzen, Liegen durch den Patienten beschrieben wird und häufig durch die Schmerztopik im Sinne einer beiderseitigen Lumboischialgie gekennzeichnet ist.

Die Blockierung besonders der mittleren Lendenwirbelsäule zeigt sich bei der Seitneigung als optisch sichtbare eingeschränkte Beweglichkeit am Verlauf der Mittellinie (Dornfortsatzreihe).

Hinweise auf eine extradurale Raumforderung (Bandscheibenvorfall) der unteren Lendenwirbelregion erhält der Untersucher bei der Prüfung der einzelnen Funktionsrichtungen durch Erkennen von Ausweichbewegungen der betroffenen unteren Extremität.

Beugt z.B. der Patient bei der Prüfung des Finger-Bodenabstandes mit gestreckten Beinen ein Bein in Hüfte und Knie, kann dies als Ausweichbewegung bei einer extraduralen Raumforderung (Bandscheibenvorfall der unteren Lendenwirbelsäule) gedeutet werden.

Zur Differenzierung, ob motorische Ausfälle vorliegen, wird der Patient aufgefordert, den Zehenballengang und den Fersengang durchzuführen. Ersteres untersucht die Nervenfunktion von S1, letzeres die von L4/5.

Die weitere Untersuchung erfolgt in Rückenlage des Patienten.

Untersuchung in Rückenlage

Der Reihenfolge nach werden das Lasegue'sche Phänomen geprüft. Erfolgt beim gestreckten Beinhebetest eine abrupte Ausweichbewegung der Hüfte im Sinne einer Abduktion um den Ausstrahlungsschmerz bei der Beugung zu vermeiden, spricht man vom positiven Lasegue bei bestimmten Winkelgraden.


Abb. (Tilscher 1990)

Der anschließende Federungstest des Kreuzdarmbeingelenks differenziert den Anteil der Mitbeteiligung dieser Synchondrose am Geschehen der Störung des Lumbalbereiches. Diese manualmedizinische Untersuchung orientiert sich am sogenannten Joint play (Gelenkspiel) nach Mennell, d.h. aus einer Vorspannung wird das endlagige Federn geprüft. Ist dieses nicht vorhanden, spricht man von einer Funktionsstörung im Sinne einer Blockierung.

In der Folge wird durch Prüfung des Hyperabduktionszeichens (Patrick sign) und der Hüftrotation besonders der Innenrotation die Beteiligung der Beinadduktoren und die Hüftgelenksstörung beurteilt. Das Patrick – Zeichen macht Aussagen über den Tonus der Hüftadduktoren.

Die Technik der Untersuchung geschieht folgendermaßen:

Das in Hüfte und Knie gebeugte Bein wird im Sinne der Adduktorentestung abgespreizt und der Tonus und die Distanz zur Unterlage geprüft.
Eine vermehrte Verspannung und Verkürzung bestätigt die Funktionsstörung des Kreuzdarmbeingelenks.
Ein harter Anschlag beim Abspreizen leitet den Gedankenduktus in Richtung der Diagnose Coxarthrose, die durch die folgende Untersuchung bestätigt oder widerlegt wird .

Die Hüftrotationsprüfung sucht im Besonderen nach dem "Kapselmuster" nach Cyriax, d.h. eine Beweglichkeitseinschränkung für die Innenrotation. Besteht eine schmerzhafte Innenrotationsstörung sind morphologische Veränderungen des Hüftgelenkes wahrscheinlich.

Mit der neurologischen Funktionsprüfung der Motorik der von den Nervenwurzeln L3 bis S1 versorgten Muskulatur wird die Untersuchung in Rückenlage des Patienten fortgesetzt.

M. Quadrizeps: Bein gegen Widerstand strecken .........L3
M. Tibialis anterior: Fuß gegen Widerstand heben ........L4
M. Extensor Hallucis: Großzehenheber...........................L5
M. Peronei: Seitlichen Fußrand heben ...........................S1

Die Sensibilitätsprüfung geschieht am Fußrücken, wobei das Algesieverhalten geprüft wird. Nur das Empfingungsdefizit ist für eine sensible radikuläre Läsion hinweisend.

Die Untersuchung des Patellarsehnenreflexes (L3) und des Achillessehnenreflexes (S1) beschließt die neurologische Untersuchung im diesem Untersuchungsgang.

Untersuchung in Seitenlage

Die abschnittsweise Beweglichkeitstestung der gesamten Lendenwirbelsäule verhilft zu einer exakten Zuordnung der Schmerzproblematik, zur Unterscheidung zwischen hypermobilen und bewegungseingeschränkten und instabilen Segmenten.

Untersuchung in Bauchlage

Zur Diagnosesicherung ist eine Untersuchung meist nicht genug aussagekräftig, so dass für das Kreuzdarmbeingelenk zwei weitere Tests zur Verfügung stehen. Es sind dies der Rütteltest und der Federungstest des Kreuzdarmbeigelenkes.

Ähnlich wie beim Federungstest in Rückenlage, wird das Gelenkspiel des Kreuzdarmbeingelenks durch rüttelnde Impulse einerseits über das Os Ilium oder andererseits durch Impulse über das Os Sacrum getestet.

Zur Bestätigung und Vervollständigung der segmentalen Untersuchung dient der Federungstest der Wirbelbogengelenke (Springingtest).

Dabei legt der Untersucher die Hand so auf die Lendenwirbelsäulenregion auf, dass der Dornfortsatz eines Wirbels zwischen Zeige – und Mittelfinger zu liegen kommt. Die andere Hand übt mit der ulnaren Handkante federnde Impulse aus, und beurteilt damit das Endgefühl.

Die Beurteilung des Springingtests erlaubt folgende Möglichkeiten:

  • Normales Endgefühl: Federnd
  • Weiches: Hypermobilität/li>
  • Weich und schmerzhaft: Instabilität/li>
  • Hart: Blockierung/li>
  • Hart und schmerzhaft: Diskus/li>

Die auf diese Art erhobenen Befunde am Bewegungsapparat erlauben meist die nosologische Einordnung des Beschwerdebildes. Das heißt, dass die klinische Diagnose als Arbeitshypothese im weiteren Behandlungskonzept solange gilt, bis neuere Aspekte der Beschwerden oder aus den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen andere Strukturen für das Schmerzbild verantwortlich scheinen.

Beispiele der Dokumentation mögen Folgende sein:

Topische DiagnoseStrukuranalyse
Lumbalgie Spondylarthrose L4/5 beiderseits
Lumboischialgie rechts Diskusprolaps L5/S1
Radikuläre Läsion S1 rechts mit motorischen Ausfällen
Dorsolumbalgie Blockierung thorakolumbaler Übergang
Schmerzhafte Verkürzung des M. erector trunci links
Viszero-vertebrales Reflexgeschehen

Wie aus obigen Ausführungen zusehen ist, benötigt die Stukturanalyse häufig bildgebende Verfahren wie Nativröntgen, Computertomogramm oder Magnetresonanztomogramm, die die aus der klinischen Untersuchung erhobenen Befunde bestätigen oder widerlegen.

Die Strukturkenntnis erlaubt dem Untersucher in weiterer Folge sein im Rahmen der Ausbildung erworbenes therapeutisches Können zielgerichtet zum Wohle des Patienten frei nach dem Motto "lernen Sie Anatomie, Sie werden sie noch brauchen!" (Zitat nach Professor Dr. Hans Tilscher ), einzusetzen.

Die Erfahrung in der Manuellen Diagnostik lehrt, daß die Untersuchung des Bewegungsapparates mit den Händen des Arztes oft unnötige und belastende zusätzliche Untersuchungen erspart .

Literatur
Tilscher H., Eder M.: Klinik der Wirbelsäule Hippokrates, Stuttgart (1993)
Eder M., Tilscher H.: Chirotherapie Hippokrates, Stuttgart (1990)
© der Abbildungen mit freundlicher Genehmigung des Verlages und Autors.

Wichtige manualmedizinisch behandelbare orthopädische Schmerzsyndrome

1. Die diskogenen lumbalen Schmerzsyndrome

1.1 Lumbago (akute Lumbalgie)

Charakteristisch ist das akute Auftreten, besonders des Morgens mit rasch zunehmender Intensität der Schmerzen im Bereich zwischen Brustwirbelsäule und Sakrum, sowie Auftreten einer antalgischen Schonhaltung und in der Folge weitgehender Immobilität.

Auslöser sind oft vorausgegangene körperliche Überlastung, banale lokale Unterkühlungen und Infektbelastung.

Die manuelle Diagnostik ergibt meist folgende Befunde:

  • Muskulärer Hartspan im Bereich des M. erector trunci,
  • Bewegungstörung der Segment L4/5 und L5/S1 mit ausgeprägter Druckschmerzhaftigkeit.

Die therapeutischen Maßnahmen sind primär fast immer konservativ:

Ruhigstellung in antalgischer Position, Bettruhe, nichtsteroidale Antirheumatika, epidurale Injektionen und Wurzelblockaden mit einem Lokalanästhetikum.

 

Als manuelle Therapie kann die Behandlung im Sinne einer Traktion mit anschließender Lagerung erfolgen (Abb. 1).


Abb. 1

1.2 Die radikulären Syndrome

In manchen Patienten entwickelt sich aus der initialen Lumbago eine Lumboischialgie bedingt durch diskogene Kompression der Nervenwurzel.

Am häufigsten sind die Nervenwurzeln L5 und S1 betroffen.

Die Schmerzprojektion der Wurzel L5 verläuft über die Lateralseite des Beines entsprechend dem Generalstreifen bis zur Großzehe. S1-Syndrome projizieren ihren Schmerz genau dorsal in das Bein und enden oft an der Kleinzehenseite. Die manualmedizinische und neuroorthopädische Untersuchung sichert die Diagnose und Höhenlokalisation.

 

Therapeutische Maßnahmen sind neben Stufenbettlagerung s.o., Infiltrationen und Infusionstherapie mit NSAR und B-Vitaminen.

 

Therapeutisch günstig sind die sakrale epidurale (Abb. 2) und Reischauer-Blockade (Abb. 3)


Abb. 2 Abb. 3

Bei Versagen der konservativen Therapie, rasch progredienten motorischen Ausfällen und bei der Caudasymptomatik ist die chirurgische Sanierung vordringlich angezeigt.

1.3 Die chronisch oder subakut rezidivierende Lumbalgie (Der Hypermobilitätskreuzschmerz)

Das klinische Bild dieser häufigen und zunehmenden Schmerzproblematik ist durch tiefe, dumpfe Kreuzschmerzen, die besonders in den frühen Morgenstunden als besonders arg empfunden werden, beim Aufstehen stärker sind, aber nach Bewegungen sich bessern (Anlaufschmerz). Ausstrahlungen in die Beine sind möglich und dann oft in beide Extremitäten.

Die manuellen Untersuchungstechniken zeigen abschnittsweise Hypermobilitätstendenzen im lumbosakralen Übergang besonders in dem Segment L4/5. Die Schmerzpalpation ergibt intensive Druckschmerzhaftigkeiten der lumbalen ligamentären Strukturen.

 

In der Behandlung dieser Syndrome dominieren die sklerosierenden Infiltrationstechniken nach Hackett und Barbor an die Bandansätze begleitet von intensiver stabilisierender Heilgymnastik.

2. Grundzüge der Schmerztherapie peripherer Gelenke

In der Betreuung von Patienten mit schmerzhaften peripheren Gelenken kann der Behandler grundsätzlich davon ausgehen, dass es drei große, sich zum Teil überschneidende Gruppen von Patienten gibt. Den wahrscheinlich größten Anteil nehmen Patienten mit geringen Pathomorphologien und gelegentlichen Schmerzen ein. Eine weitere große Anzahl von Menschen beklagt mäßige Schmerzen bei vorhandenen eindruckvollen gestaltlichten Veränderungen in den bildgebenden Verfahren. Aus diesem Pool bestreiten ausschließlich chirurgisch tätige Orthopäden gerne ihre Operationsindikation.

Schließlich beklagen viele der Patienten stärkere, die Lebensqualität beeinträchtigende Schmerzen bei starken pathomorphologischen Veränderungen. Diese bilden die Gruppe der echten Operationsindikationen.

 

Nach Prof. Tilscher ist somit mit folgenden Patientengut zu rechnen:

  • solche, die man operieren kann
  • solche , die man operieren muss
  • und diejenigen, die man niemals operieren darf.

Unter diesen Gesichtspunkten mögen folgende diagnostischen und therapeutischen Überlegungen gelten:

2.1 Die Omarthralgie

In die differentialdiagnostischen Überlegungen bei Syndromen der Halswirbelsäule muss der Schultergürtel mit einbezogen werden. Es ergeben sich somit im wesentlichen zwei Schmerzsyndrome die häufig sind:

2.1.1 Die Periarthropathia humeroscapularis

Unter diesem Begriff werden eine Vielzahl uneinheitlicher Schmerzbilder subsummiert. Im weitesten Sinn haben alle die Störungen der "Rotatorenmanschette" gemeinsam. Klinische Äußerungen, die für viele dieser Krankheitsbilder zutreffen, sind unabhängig von der Pathogenese, der "painful arc" nach Cyriax.

Die Manuelle Diagnostik erfasst besonders den Bereich der schmerzhaften Muskelinsertionen sehr genau und führt zu einer klaren Strukturanalyse, die für folgende Behandlungen notwendig ist:

Anwendung der TLA für den M. Supraspinatus
M. Infraspinatus (m. teres minor)
M. Subscapularis (m. biceps)
Manuelle Therapie im Sinne postisometrischer Relaxationstechniken
sowie stabilisierende Heilgymnastik
2.1.2 Die Schulterkontraktur (Frouzen shoulder)

Diese äußerst schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Glenohumeralgelenk ist in ihrer Pathogenese vielfältig. Vasospasmumus und Muskelspasmus dominiert das Geschehen, das schließlich in einer adhäsiven Kapsulitis mündet.

Kritisches Detail der Diagnostik ist die schmerzhaft eingeschränkte Außenrotation des Armes (capsular pattern).

Therapeutisches Ziel ist primär die Erzielung einer Schmerzreduktion besonders des Nachts durch intra- und periartikulärer Anwendung der Lokalanästhetika mit geringen Mengen an Steroiden.

Gleichzeitig sollen intensive mobilisierende Maßnahmen der Heilgymnastik die Beweglichkeit wiederherstellen.

2.2 Die Coxalgie

Vom klinischen und schmerztherapeutischem Standpunkt ist häufig mit Schmerzsyndromen der Hüftregion zu rechnen. Es überschneiden sich die Schmerzsymptome der unteren Brustwirbelsäule, der oberen Lendenwirbelsäule, des lumbosakralen Übergangs und der Kreuzdarmbeingelenke, daher ist die genaue klinische Untersuchung und Differentialdiagnostik hier besonders für die nachfolgenden Therapien bedeutsam.

Zwei im Untersuchungsgang kritische Details, die für die Koxarthrose sprechen, sind die eingeschränkte Innenrotation, "Kapselmuster", sowie das hoch positive Patrick-Zeichen.

Konservativ-orthopädische Maßnahmen sind meist so lange indiziert, als die pathomorphologischen Veränderungen im Hintergrund bleiben. Darüber hinaus gilt, dass die schwere Pathomorpholgie nicht zwingend mit dem Beschwerdebild korreliert, somit über lange Lebensabschnitte die Operationsindikation eine relative bleibt.

Unterstützend wirkt unter diesen Gesichtspunkten die gezielte Heilgymnastik und je nach Aktualität die Anwendung der TLA.

Literatur

1. Tilscher H., Eder M.: Der Wirbelsäulenpatient
Springer Verlag , Berlin-Heidelberg-New York (1989)
2. Eder M., Tilscher H.: Chirotherapie
Vom Befund zur Behandlung
Hippokrates, Stuttgart (1987)
3. Tilscher H., Hanna M. (Hrsg.): Die gestörte Wirbelsäule.
Diagnose, Therapie, Rehabilitation, Prävention
Facultas-Verlag, Wien (1994)
4. Tilscher H., Eder M.: Infiltrationstherapie
Hippokrates ,Stuttgart (1996)
5. Tilscher H., Eder M.: Lehrbuch der Reflextherapie
Hippokrates ,Stuttgart (1989)
Autoren: H. Tilscher, M. Hanna
Aus der Abteilung und dem Ludwig Boltzmann Institut für konservative Orthopädie
Leiter: Prim. Univ.-Prof. Dr.H.Tilscher
M. Hanna
Orthopädisches Spital, Wien, Speisingerstraße 109