Schmerztherapie, Schmerztherapeutika

Einführung

Jeder Mensch kennt Schmerzen und muss im Laufe seines Lebens immer wieder unter ihnen leiden. Doch wie zermürbend und quälend muss es sein, wenn man unter chronischen Schmerzen leidet. Und gerade diese Patienten, die unter einem extrem hohen psychischen und physischen Leidensdruck stehen und häufig als "schwierig" gelten - wobei sie meist sehr verzweifelt und einsam sind - brauchen in besonderem Maße unsere freundliche und professionelle Zuwendung. Sogar uns "medizinische Fachleute" können Schmerzen ängstigen und in tiefe Verzweiflung stürzen. Umso bestürzender ist es, dass manchmal von Patienten gefordert wird, dass sie "die Zähne zusammenbeißen sollen" und nicht "so ein Theater machen sollen". Warum erhalten nicht alle Patienten mit Schmerzen eine suffiziente Analgesie? Ein Motiv könnten mangelnde Kenntnisse der Behandelnden über schmerztherapeutische Hintergründe und Zusammenhänge sein.

Die "Schmerztherapie" gewinnt im deutschsprachigen Raum seit ca. 15 Jahren zunehmend an Bedeutung. In den USA ist die Schmerztherapie seit langem ein Spezialgebiet der Medizin und viele Kliniken verfügen über eine Schmerzambulanz. Hochqualifizierte Wissenschaftler erforschen die Physiologie und Pathophysiologie des Schmerzes und haben Bemerkenswertes herausgefunden. Aufgrund vieler Untersuchungen weiss man heute, dass es auf zellulärer Ebene und im ZNS zu bleibenden Veränderungen durch Schmerzen kommen kann. Es ist inzwischen unumstritten, dass eine schnelle und gute Linderung von akuten Schmerzen die Chronifizierung derselben verhindern kann. In einigen Ländern erfüllt die nicht erfolgte Schmerzlinderung sogar den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung oder der Körperverletzung.

Ziel und Aufgabe des Arztes: Schmerzen lindern

Leider können wir nicht alle Krankheiten heilen. Trotz der modernen Wissenschaft, trotz ständiger Forschung und Neuerungen im Bereich der Medizin, gibt es unheilbare und chronische Erkrankungen.

Was aber heutzutage immer besser möglich ist, ist Schmerzen zu lindern - denn da hat die Forschung viel geleistet. Und deshalb wird es immer schwerer zu vertreten sein, dass manchen Patienten eine schnelle und suffiziente Analgesie vorenthalten wird. Natürlich weiss jeder, der in einem Krankenhaus arbeitet, dass es nachvollziehbare Gründe dafür gibt, warum eine Analgesie insuffizient, zu spät oder falsch erfolgen kann.

  1. Jeder Mensch braucht eine individuelle Dosis, jeder reagiert anders auf Medikamente. Das Anpassen der Dosis an den persönlichen Bedarf des Patienten - das sog. Titrieren - dauert manchmal einige Zeit.
  2. Wie alle Medikamente haben auch Schmerzmittel Nebenwirkungen. Aufgrund des Nebenwirkungsprofils und der Prä-Morbidität des Patienten können manche Analgetika nur beschränkt eingesetzt werden.
  3. Da sich im Krankenhaus viele Patienten befinden, hat das Pflegepersonal leider oft zu wenig Zeit für jeden Einzelnen. Wenn wegen der Bitte um ein Schmerzmittel geklingelt wird, muss vielleicht gerade ein Notfall versorgt werden und es verstreicht viel Zeit, bis der Patient das Schmerzmittel erhält. Häufig entsteht dann der sog. "Schmerzzyklus": der Patient bittet um ein Schmerzmittel, während die Schmerzen beginnen stärker zu werden. Nach ca. 1 Std. erhält er das Analgetikum - die Schmerzen sind inzwischen sehr stark geworden und es dauert lange bis der Schmerz unter die Wahrnehmensschwelle sinkt. Die Folge ist, dass der Patient entweder ständig leidet oder dass er beginnt, immer früher um ein Schmerzmittel zu bitten, da er aus Erfahrung weiss wie lange er auf die Schmerzlinderung warten muss. Das hat zur Folge, dass das Pflegepersonal ungläubig und ärgerlich reagiert und dem Patienten seine Schmerzen nicht mehr glaubt, da der Patient viel zu häufig klingelt. Es entsteht ein Circulus vitiosus aus Misstrauen und Ärger - der wahrlich nicht sein müsste. Aus diesem Grund wurde die sog. PCA = patient controlled analgesia entwickelt. Diese Apparate, aus denen sich der Patient eigenständig mit Schmerzmitteln versorgt, sind bei besonders starken Schmerzen sinnvoll und werden vor allem Patienten, die eine sehr schmerzhafte Operation hatten, postoperativ zur Verfügung gestellt.
  4. Es gibt chronische Schmerzerkrankungen, bei denen keine organische Störung gefunden werden kann. Das auslösende Ereignis ist längst vorbei, doch der Schmerz ist geblieben. In diesen Fällen ist der Schmerz selbst zur Krankheit geworden. Seit einigen Jahren gibt es Ärzte, die sich auf die Behandlung dieser Schmerzen spezialisiert haben. Sie heißen "Algesiologen" und sind in speziellen Schmerzambulanzen im Krankenhaus oder als niedergelassene Ärzte mit dem Schwerpunkt "Schmerztherapie" tätig.
  5. Der Patient hat seine Schmerzen nicht klar genug geschildert oder es wurde versäumt, gezielt nachzufragen. Überall herrscht zunehmend Zeitdruck, manche Patienten sind verwirrt oder verlangsamt, so dass eine genaue Anamnese langwierig scheint. Trotzdem sollte sich jeder diese Minuten nehmen und genau nachfragen, denn insgesamt kann mit einer gezielten Analgesie mehr Zeit (und Kosten !) gespart werden, als die Befragung kostet.

Autorin

Dr. Angelika Böhme
Fachärztin für Anästhesiologie und Intensivmedizin,
Algesiologin, Graz (Institut für Psychosomatik u. Verhaltenstherapie),
München (KH-Harlaching)